Dienstag, 22. Februar 2011

Windige Geschäfte

Die Windenergie hat, wie auch die Solarenergie, zwei grundlegende Mängel:

  1. Geringe Energiedichte. In Gegensatz zu den fossilen Energieträgern (Erdöl, Erdgas, Kohle) und den in Kernkraftwerken genutzten Brennstoffen, die sehr viel Energie je Volumeneinheit enthalten, ist die kinetische Energie des Windes für den Menschen nur mit großem Aufwand nutzbar, da sie in einer verdünnten Form vorliegt. Große Mengen Windstrom kann man nur mit Riesenanlagen erzeugen. Dem entsprechend haben sich die Windkraftanlagen entwickelt. Eine typische Anlage des Jahres 1980 hatte einen Rotordurchmesser von 15 m und eine Höhe bis zur Rotorspitze von 40 m bei einer Nennleistung von weniger als 0,1 MW. Die heute gebauten 5 MW-Anlagen haben einen Rotordurchmesser von 110 m und eine Höhe von 180 m. Die Grünen propagierten die Windenergie mit dem Slogan "Small is beautiful". Das ist eine Irreführung der Öffentlichkeit, denn die grünen Energieziele sind nur erfüllbar, wenn zehntausende Monsteranlagen auf riesigen Flächen mit einem gigantischen Kapitalaufwand errichtet werden. Die gern benutzte Bezeichnung "Bürgerwindpark" ist ein Euphemismus, denn Kleininvestoren haben in diesem Wirtschaftszweig nur einen geringen Anteil am Gesamtkapital.

  2. Unregelmäßiger, nicht steuerbarer Anfall. Der Wind weht wann er will, ein modernes Hochleistungsstromnetz benötigt aber Zulieferungen in genau der Menge, die in einem gegebenen Moment nachgefragt wird. Da es keine preiswerte Speicherung des Windstroms in großtechnischem Maßstab gibt, kann die Windenergie in einer Industriegesellschaft außerhalb von Nischenanwendungen niemals wettbewerbsfähig sein. Wir wollen uns hier mit diesem Problem näher beschäftigen.


Windkraftanlagen reagieren sehr empfindlich und drastisch auf Änderungen des Windes, denn die Windleistung nimmt mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit zu bzw. ab. Das bedeutet, dass bereits kleine Änderungen der Windstärke große Änderungen der erzeugten Windstrommenge verursachen. Da der Wind selten konstant weht, schwankt die Leistung der Windkraftanlagen in der Regel innerhalb eines Tages heftig, wie die folgende Grafik zeigt (Quelle: Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft):



Betrachtet über einen größeren Zeitraum bestätigt sich die Unbeständigkeit der Windstromeinspeisung, so zeigt z. B. der März 2008 folgende Tagesminima und Tagesmaxima des deutschen Windleistungsprofils (Quelle: Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft):



Das Problem des stark schwankenden, nicht regelbaren Windstroms ergibt sich überall auf der Welt, wie ein Blick auf die erratische Stromabgabe einer australischen Windfarm zeigt (Quelle: Peter Lang, Cost and Quantity of Greenhouse Gas Emissions Avoided by Wind Generation):



Das deutsche Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG) zwingt die Energieversorgungsunternehmen (EVU), diesen stark schwankenden Windstrom vorrangig in ihre Netze aufzunehmen, und das zu einem Preis der mindestens dreimal höher ist als der echte Marktpreis des Stroms aus konventionellen Kraftwerken. Ähnliche Vorschriften gibt es in allen westlichen Industriestaaten. Die dabei entstehenden Anpassungsprobleme verdeutlicht die folgende Grafik für den National Electricity Market (NEM) in Australien (Quelle: Windfarm Performance):



Die oben gezeigten starken Schwankungen des vorrangig aufzunehmenden Windstroms haben einige Folgen:


  • Die Windkraftanlagen produzieren, über einen längeren Zeitraum gesehen, viel weniger als ihre Nennleistung, die von Politikern und Lobbyisten ausschließlich angegeben wird. Die tatsächliche Auslastung (capacity factor oder load factor), berechnet als tatsächlich produzierte Leistung in Prozent der maximal möglichen Leistung, beträgt je nach Standort etwa 17-25%. Das bedeutet, dass die Windrotoren durchschnittlich nur ein Viertel der Leistung liefern, für die sie ausgelegt sind. Das erklärt sich nicht nur durch die Launen des Windes, sondern auch durch die Konstruktionsmerkmale der Anlagen, die unterhalb einer Windgeschwindigkeit von 4-5 m/s (Beaufort 3) gar keinen Strom liefern, ihr Maximum bei etwa 15 m/s (Beaufort 7) erreichen und sich bei ca. 25 m/s (Beaufort 10) abschalten, um nicht beschädigt zu werden.

  • Die erste der obigen Grafiken zeigt, dass die Windstromeinspeisung in das deutsche Netz innerhalb weniger Stunden von mehr als 6.000 MW auf nahezu Null abstürzte. Um den Zusammenbruch der Stromversorgung zu verhindern, müssen die EVU für jedes installierte MW an Windnennleistung eine gleich hohe Reservekapazität in konventionellen Kraftwerken bereit halten, die einspringt, wenn die Windkraft ausfällt und die wieder ausgeschaltet werden muss, sobald die bevorrechtigte erneuerbare Energie erneut zur Verfügung steht, was innerhalb von Minuten der Fall sein kann. Es bleibt festzuhalten: die Windkraftanlagen können kein einziges konventionelles Kraftwerk ersetzen.

  • Es bleibt nur noch eine Behauptung, mit der sich die Nutzung der Windkraft rechtfertigen ließe, nämlich dass dadurch fossile Brennstoffe eingespart würden und dem entsprechend die Emission des angeblich klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid vermindert werden könnte. Das Gegenteil ist aber der Fall. Modellrechnungen zeigen, dass durch die vom EEG erzwungene bevorzugte Einspeisung des Windstroms mehr fossile Energie verbraucht wird, als dies ohne den Einsatz der Windenergie notwendig wäre. In den folgenden Abschnitten wollen wir uns näher ansehen, warum das so ist.


Da die Windleistung proportional zur dritten Potenz der Windgeschwindigkeit ist, schwankt die Windstrommenge noch viel stärker als der ohnehin schon sehr launische Wind. Bezogen auf eine moderne 2 MW-Anlage bedeutet z. B. ein Rückgang der Windgeschwindigkeit von 9 auf 7 m/s eine Halbierung der Windleistung. Für die EVU bedeutet dies, dass sie konventionelle Kraftwerkskapazitäten in der Höhe der installierten Windstromnennleistung als Puffer bereit halten müssen, um von Minute zu Minute die Schwankungen der Windstromeinspeisung auszugleichen. Dafür muss man die mit fossilen Brennstoffen befeuerten Reserveanlagen ständig herauf- oder herunterfahren, was nur mit erheblichen Effizienzeinbußen möglich ist, da die Backup-Kraftwerke hierbei außerhalb ihres Optimums betrieben werden. Dadurch ist ihr Brennstoffverbrauch höher als im Normalbetrieb.

Sehen wir uns die einzelnen Kraftwerksarten hinsichtlich ihrer Pufferfähigkeiten etwas näher an:


  • Kernkraftwerke sind für den Dauerbetrieb unter Volllast konzipiert und liefern deshalb Strom im Grundlastbereich, wobei sie durchschnittlich eine Auslastung von mehr als 90% erreichen.

  • Kohlekraftwerke sind schlecht bis gar nicht geeignet, kurzfristig hoch- oder heruntergefahren zu werden. Braunkohlekraftwerke sind konstruiert, um mit voller Leistung ununterbrochen zu arbeiten. Sie können die Stromabgabe verringern, indem sie Dampf ablassen, aber sie verbrennen die gleiche Menge Kohle, ob sie nun Strom produzieren oder nicht. Steinkohlekraftwerke können in engen Grenzen ihre Leistung variieren, wenn auch bei starken Effizienzverlusten, aber sie sind nicht in der Lage, die großen und abrupten Schwankungen des Windstroms auszugleichen.

  • Wasserkraftwerke, und hierbei insbesonders Pumpspeicherwerke, eignen sich hervorragend, um Schwankungen der Spitzenlast auszugleichen, da ihre Leistung schnell und kontrolliert abgerufen werden kann. In Deutschland, wie in den meisten Ländern der Welt, ist das eine sehr knappe Ressource, die nicht weiter ausgebaut werden kann. Es gibt viel zu wenig Wasserkraft, um die riesigen Windstrommengen zu puffern.

  • Erdgaskraftwerke verbleiben als die einzige praktikable Ausgleichsmöglichkeit. Man teilt sie in zwei Kategorien ein:

    1. Combined Cycle Gas Turbine (CCGT). Größere Anlage zu höheren Anschaffungskosten, gebaut um zumindest mehrere Stunden täglich mit voller Leistung zu laufen. Verbraucht weniger Gas je MWh als OCGT bei einer Auslastung von mehr als 15%, kann sich aber nicht so gut an starke Schwankungen der Nachfrage anpassen. Ursprünglich, d. h. vor Einführung des Windstroms, gedacht zur Deckung der Mittellast.

    2. Open Cycle Gas Turbine (OCGT). Kleinere Anlage zu geringeren Anschaffungskosten, aber höheren Betriebskosten, deren Leistungsabgabe schnell änderbar ist. Verbraucht mehr Gas je MWh als CCGT bei einer Auslastung von mehr als 15%. Ursprünglich gedacht zur Deckung der Spitzenlast.


    Da die Windstromeinspeisung stark schwankt, oft von Minute zu Minute, verdrängt die Windenergie die CCGT, die durch die flexibleren, aber auch weniger effizienten OCGT ersetzt werden müssen.


Ohne die gesetzlich erzwungene bevorrechtigte Aufnahme des Windstroms in das öffentliche Netz wären CCGT- und OCGT-Kraftwerke in einer optimalen Kombination installiert, um Mittellast und Spitzenlast zu decken. Durch das staatliche Diktat hat sich die Lage geändert. Peter Lang (op. cit.) stellt dazu fest: "If governments mandate wind power then we will need more OCGT and less CCGT than without wind power. The substitution of OCGT for CCGT is (nearly) in proportion to the amount of wind capacity installed, not the amount of wind energy that will be generated. The reason is that the OCGT is required to back up for most of the wind power’s maximum capacity, not for its average energy production. For example, if we install 100 MW of wind power, nearly 100 MW of OCGT must be installed instead of 100 MW of CCGT."

Peter Lang kommt für Australien zu dem Ergebnis, dass die Ersetzung der leistungsfähigeren CCGT durch schneller reagierenden, aber unwirtschaftlicheren OCGT die Brennstoffeinsparung durch die Windkraftanlagen nahezu ausgleicht.

Für die Niederlande zeigen C. le Pair und K. de Groot in ihrer Studie The impact of wind generated electricity on fossil fuel consumption, dass es zu einem Mehrverbrauch von fossilen Brennstoffen kommt, wenn die Effizienz der Pufferkraftwerke infolge des Windstroms um mehr als 2% sinkt. Das gilt bereits bei einem Windstromanteil von mehr als 3%. Die Autoren stellen fest: "The use of wind energy for electricity generation in combination with the requirement for fossil fuel powered stations to compensate for wind fluctuations can easily lead to loss of the expected saving in fuel use and CO2 emission. In addition, the conventional stations will be subject to accelerated wear and tear."

Kent Hawkins hat ein auf ingenieurswissenschaftlichen Erfahrungssätzen beruhendes energiewirtschaftliches Modell entwickelt, bei dessen Anwendung auf die USA er zu dem Schluss kommt: "Integrating random, highly variable wind energy into an electricity system presents substantial problems that subvert wind technology’s ability to offset the use of fossil fuels – and avoid air emissions, including carbon dioxide (CO2). Measuring this accurately is important because many believe that wind projects significantly reduce such emissions. This analysis finds that natural gas used as wind back-up in place of baseload or intermediate gas (in the absence of wind) results in approximately the same gas burn and an increase in related emissions, including CO2. Extrapolating from this example to the whole, the working hypothesis is that intermittent wind (and solar) are not effective CO2 mitigation strategies because of inefficiencies introduced by fast-ramping (inefficient) operation of gas turbines for firming otherwise intermittent and thus non-usable power."

Auf Master Resource findet sich eine Artikelserie von Kent Hawkins zu dem Thema und auch andere Energiewissenschaftler widerlegen dort mit eigenen Beiträgen die Einsparbehauptung der Windlobby. Alle kritischen Energieexperten berichten übereinstimmend, dass ihnen der Zugang zu den detaillierten Betriebsdaten der Kraftwerke verwehrt wird. So sagen z. B. C. le Pair und K. de Groot (op. cit.): "It is recommended to get an accurate and quantitative insight into these extra effects before society sets out to apply wind energy on a large scale. All producers must be required to publish data on the efficiency effects and fuel use when wind energy is added on."

Es stellt sich die Frage, warum die Kraftwerksbetreiber keinen minutengenauen Einblick in ihre Betriebsdaten geben. Erst wenn unabhängige Fachleute darin Einsicht hätten, könnte man die Behauptung, dass durch die Windkraftanlagen fossile Brennstoffe eingespart würden, einer empirischen Überprüfung unterziehen. Warum gibt es keine staatliche Verpflichtung zur Offenlegung dieser Daten? Immerhin geht es hier um den angeblichen Seinsgrund der Windindustrie. Offensichtlich gibt es etwas zu verbergen, denn die Politiker und die von ihnen abhängigen Kreise in der Wirtschaft wären die Ersten, die für sie günstige Daten veröffentlichen würden.

Montag, 14. Februar 2011

Sündenböcke in Ägypten und Tunesien

Die meisten Menschen gingen auf die Straßen, weil sie für ihre verschlechterte wirtschaftliche Lage die jeweiligen Regierungen verantwortlich machten. Diese Schuldzuweisung ist aber nicht gerechtfertigt, wie ein Blick auf die makroökonomischen Daten zeigt. Während der Regierungszeit der gerade gestürzten Präsidenten erreichten die beiden Länder ein beachtliches Wirtschaftswachstum. In Tunesien wuchs die Wirtschaft von 2005 bis 2008 um jährlich 6%, im weltwirtschaftlich bedingten Rezessionsjahr 2009 immerhin noch um 3%. Das Wachstum der ägyptischen Volkswirtschaft war in etwa gleich groß. Das ist eine mehr als zehn Mal höhere Wachstumsrate als wir sie in Deutschland zustande bringen, wo das BIP von 2005 bis 2009 jahresdurchschnittlich um 0,43% stieg.

Die soeben davongejagten Regierungen haben einige wirtschaftspolitische Fehler zu verantworten, wie zu hoher Staatsanteil an der Wirtschaft in Ägypten oder Außenhandelsmonopole für einige Nahrungsmittel in Tunesien, aber die jetzt verteufelten Herrscher haben auch einiges richtig gemacht. Die Regierung Mubarak hat die Körperschafts- und Einkommenssteuer deutlich gesenkt, eine fühlbare Entbürokratisierung durchgesetzt, einen Markt für Hypothekarkredite geschaffen und die Günstlingswirtschaft im Bankwesen eingeschränkt. Das wurde von ausländischen Investoren anerkannt, deren Direktinvestitionen die ägyptische Wirtschaft in den vergangenen Jahren gestärkt haben. Besonders profitiert haben die Textil-, Bekleidungs- und Nahrungsmittelindustrie sowie der Tourismus. Jedes Jahr reisten mehr als 12,5 Millionen ausländische Urlauber nach Ägypten.

Tunesien hatte bisher über 7 Millionen ausländische Besucher pro Jahr. Das Weltwirtschaftsforum sieht in seinem Global Competitiveness Index 2010–2011 Tunesien unter 139 analysierten Ländern auf Platz 32, vor Tschechien (36), Polen (39), Spanien (42) und Italien (48). Danach ist Tunesien das wettbewerbsfähigste Land Afrikas. Ägypten kommt in diesem Wettbewerbsfähigkeitsranking nur auf Platz 81, liegt damit aber immer noch vor Griechenland (83), Albanien (88) oder Ukraine (89). "Der für die vergleichende Analyse der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes relevante Global Development Index untersucht unter anderem die Bereiche Institutionen, Infrastruktur, makroökonomische Rahmenbedingungen, Gesundheit und Ausbildung sowie die Effizienz des Arbeits- und Gütermarktes und Innovationsfähigkeit. Mit dem 7. Platz schneidet Tunesien besonders gut bei der Verfügbarkeit von Forschern und Ingenieuren ab. Ganz erstaunlich ist das Ergebnis nicht, wenn man bedenkt, dass Tunesien 7% seines Bruttoinlandsproduktes für die Bildung verwendet und 1,2% für Forschung und Entwicklung." (Quelle: Länder-Ranking bestätigt hohe Wettbewerbsfähigkeit). Es ist schwer vorstellbar, dass neue Regierungen diese Zahlen übertreffen könnten.

Warum dann die weit verbreitete Unzufriedenheit mit den alten Machthabern? Es gibt dafür zwei Gründe:

  1. Hohes Bevölkerungswachstum. Die Bevölkerung in den arabischen Ländern wächst schon seit langem außerordentlich stark. Der jährliche Zuwachs an Menschen von 2000 bis 2008 betrug in Ägypten 1,9% und in Tunesien 0,9%, siehe dazu: Bevölkerungswachstum bremst Erfolge. Unter diesen Umständen merkt der einzelne Bürger wenig bis nichts vom Wirtschaftswachstum. Besonders die junge Generation ist davon betroffen. In Ägypten sind 53% der Einwohner jünger als 25 Jahre. Jede Regierung muss daran scheitern, für diese Menschenmassen innerhalb kurzer Zeit produktive Arbeitsplätze zu schaffen.

  2. Nahrungsmittelmangel durch Biotreibstoffe. Die arabischen Staaten sind in hohem Maße abhängig von Nahrungsmittelimporten, die sich in den letzten beiden Jahren stark verteuert haben. Der Hauptgrund dafür ist die in den Nahrungsmittelexportländern gesetzlich erzwungene und hoch subventionierte Produktion von Biotreibstoffen auf Anbauflächen, die vor kurzem noch für die Herstellung von Nahrungsmitteln genutzt wurden. In den folgenden Abschnitten wollen wir näher auf dieses Problem eingehen, das ebenfalls nicht den gestürzten Regierungen angelastet werden kann.


Ägypten muss mehr als die Hälfte seiner Nahrungsmittel importieren. So kommen z. B. 80% der dort verbrauchten Maismenge aus den USA (Quelle: Egypt's unrest tied to high food prices [1]). Deshalb hat es unmittelbare Auswirkungen auf Ägypten und z. B. auch Tunesien, dass in den USA ein Drittel der Maisernte zur Produktion von Ethanol genutzt wird, das auf Grund gesetzlicher Bestimmungen dem Auto-Treibstoff beigemischt werden muss (Quelle: Egypt and Tunisia usher in the new era of global food revolutions [2]). Es trifft viele Entwicklungsländer hart, dass auf Druck der Grünen und der Bauernlobby so viele Anbauflächen der Nahrungsmittelproduktion entzogen wurden. Diese Verknappung des Angebots ist die Hauptursache der großen Preissteigerungen im Nahrungsmittelmarkt. "The UN’s Food and Agriculture Organization (FAO) said its global food index has surpassed the all-time high of 2008, both in nominal and real terms." [2] Das bedeutet für die wichtigsten Produktgruppen: "Wheat prices have risen by more than 70 per cent over the past 12 months, and corn prices climbed in mid-January to their highest level since July 2008, a period when global food prices soared." [1]

Ein Börseninsider stellt fest: "It is food inflation that is ultimately breaking the back of the Mubarak regime. ... Staples like meat, sugar and vegetables have been climbing out of the reach of the ordinary Egyptian for a year." (Quelle: Egypt Woes Bring Global Food Inflation Fears to Fore). Warum das so ist, verdeutlicht die folgende Grafik:



Die Grafik zeigt die Ausgabenarten in Prozent des Einkommens des durchschnittlichen ägyptischen Verbrauchers. Wenn im Durchschnitt ein Ägypter mehr als 40% seiner Ausgaben für Nahrungsmittel aufwenden muss, dann ist davon auszugehen, dass die unterste Einkommensgruppe in den Städten ca. 80% ihres Einkommens für Ernährung aufwenden muss. Bereits im vergangenen November warnte der ägyptische Ökonom Hamdi Abdel-Azim: "If the rise in food costs persists, there will be an explosion of popular anger against the government." [1]

Das ist nun eingetreten und der Grund dafür liegt weniger in der Verantwortung der gestürzten Regierungen, als in der grünen Energiepolitik der Staaten Nordamerikas und der EU. "Obama has been an avid supporter of ethanol subsidies, with close links to the ethanol lobby, unlike Obama’s 2008 opponent, John McCain, who opposed ethanol subsidies. The Obama Administration has pushed ethanol mandates, even though they have a history of helping spawn famines and food riots overseas." (Quelle: Are our biofuel mandates fueling Islamic extremism in Egypt?).

Eine Tankfüllung Ethanol enthält so viele Kalorien, wie ein Erwachsener während eines ganzen Jahres benötigt. Die Produktion von Biotreibstoffen macht nicht nur Benzin teurer und schmutziger, fördert nicht nur die Entwaldung, Bodenerosion, Wasser- und Luftverschmutzung, sondern ist auch und vor allem ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Montag, 7. Februar 2011

Ein "Öko-Superheld"

In der Ortschaft Angwin im nordkalifornischen Napa Valley soll eine Öko-Siedlung gebaut werden, die alle grünen Vorschriften erfüllt. Die 275 beantragten Niedrigenergiehäuser bekommen ihren Strom aus der Photovoltaik, nutzen wiederaufbereitetes Wasser und sind einer Genossenschaft angeschlossen, die ökologischen Landbau betreibt. Die zukünftigen Bewohner sind von vornherein Mitglieder einer Fahrgemeinschaft, die sich ihre Elektroautos teilt.

Das Angwin Ecovillage könnte gar nicht grüner sein, aber einem prominenten Grünen, dem Schauspieler Robert Redford ist es nicht grün genug. Diese Hollywood-Berühmtheit, die vom Time Magazine in seine Liste der "environmental superheros" aufgenommen worden war, besitzt in der Nähe von Angwin ein Weingut, dessen Landschaftsbild von der Ökosiedlung gestört werden könnte.

Es hat einiges Aufsehen erregt, siehe z. B. Indecent proposal? Redford rails against eco-village als Redford der Organisation Save Rural Angwin beitrat, "a pressure group dedicated to opposing the development of several hundred 'green' family dwellings, together with a retirement home, on 63 rolling acres near a secluded wine-country estate he bought eight years ago". Als Grund für seinen Kampf gegen das Siedlungsprojekt gab Redford an, dass es "our beautiful agricultural and rural heritage" beeinträchtige. Fürwahr ein triftiger Grund für einen Grünen, ein grünes Mustervorhaben zu verhindern.

Der selbe Robert Redford kann aber auch ganz anders. In seinem Sundance Resort, das ein Naturschutzgebiet sein soll, verkauft er Baugrundstücke von je ca. 1 acre (4047 m2) für etwa 2 Millionen Dollar je Parzelle. Das sind sie offenbar wert, denn auf der Website von Herrn Redford werden sie so beschrieben: "These homes will enjoy stunning views of Mt. Timpanogos and the surrounding landscape, as well as ultimate privacy and seclusion. Each site has easy access to the extensive trail system and to Sundance Village." Bei diesem Preis kann man es offenbar hinnehmen, dass "our beautiful heritage" etwas gestört wird.

Über diesen Fall von grüner Doppelmoral haben die angesehenen ökokritischen Filmemacher von Not Evil Just Wrong einen professionellen Videoclip gemacht, der den Titel trägt:

Robert Redford Hypocrite

Donnerstag, 3. Februar 2011

Haircut gefällig?

Die Verschuldungskrise einiger Euro-Staaten ist in einem kritischen Stadium angelangt. Nach der faktischen Zahlungsunfähigkeit von Griechenland, Irland und Portugal ist es sehr zweifelhaft, ob die spanische Regierung ihre Staatsanleihen verzinsen und tilgen kann. Bei anderen EU-Staaten sieht es ähnlich schlecht aus. In dieser Situation hat die FDP-Bundestagsfraktion bei Hans-Werner Sinn und Kai Carstensen vom ifo Institut für Wirtschaftsforschung ein Gutachten über die Bewältigung der staatlichen Finanzprobleme bestellt, das seit dem 23. November 2010 unter dem Namen Ein Krisenmechanismus für die Eurozone vorliegt. Die Grafik, Tabelle und Zitate in diesem Artikel stammen aus dem Gutachten.

Die folgende Grafik zeigt die Forderungen ausländischer Banken gegenüber den Staaten Griechenland, Irland, Portugal und Spanien (GIPS):



Die offen erklärte Zahlungsunfähigkeit allein schon der GIPS-Staaten würde das französische, aber auch das deutsche Bankensystem, mit in den Abgrund reißen. Um das zu verhindern, wurde von den EU-Staaten in großer Eile ein finanzieller Rettungsschirm aufgespannt, der für Deutschland eine Haftung aus Bürgschaften in Höhe von 215 Milliarden Euro mit sich bringt:



Erläuterungen zu den einzelnen Zeilen der Tabelle:

  1. EFSF = European Financial Stability Facility. Ad hoc gegründete Zweckgesellschaft in Luxemburg, die außerhalb des Regelwerks der EU Kredite bis zu 440 Milliarden Euro an zahlungsunfähige Euro-Staaten gewährt, wovon Deutschland bis zu 147,4 Milliarden Euro absichert. Voraussetzung der Gewährung ist die einstimmige Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit durch die kreditgebenden Länder und den IWF. Bis zum 30. Juni 2013 begrenzt, danach keine neuen Gewährleistungen der Sicherungsgeber.

  2. EFSM = European Financial Stability Mechanism. Die EU-Kommission gewährt unter Berufung auf Artikel 122 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) direkt Kredite bis zu 60 Milliarden Euro an Euro-Staaten, die ihre Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen können. Da der Artikel 122 AEUV nur eine Hilfsermächtigung bei Naturkatastrophen vorsieht, beruht der EFSM auf einer sehr eigenwilligen Interpretation des EU-Rechts. Der deutsche Haftungsanteil errechnet sich aus dem Beitrag Deutschlands zu den gesamten Eigenmitteln des EU-Budgets von 2009.

  3. IWF = Internationaler Währungsfonds (International Monetary Fund). Der IWF hat zugesagt, parallel zu EFSM und EFSF insgesamt 250 Milliarden Euro zu gewähren. Daran ist Deutschland mit seinem IWF-Finanzierungsanteil von 6% beteiligt.

  4. Die schon teilweise ausgezahlten EU-Kredite an Griechenland in Höhe von 80 Milliarden Euro werden von Deutschland im Verhältnis seines EZB-Kapitalanteils von 28% getragen.

  5. Die parallel zu 4. gewährte IWF-Hilfe für Griechenland belastet Deutschland wieder im Verhältnis seines Kapitalanteils von 6% am IWF.

  6. EZB = Europäische Zentralbank. Die EZB hat allein im Zeitraum von Mai 2010 bis November 2010 Staatsanleihen, noch dazu solche mit einem schlechten Rating, in Höhe von 63 Milliarden Euro gekauft. Diese Staatspapierkäufe durch die EZB sind faktisch ein weiterer Rettungsschirm, der dem EFSM und EFSF sehr ähnlich ist. Die EZB hat beim Erwerb der Staatspapiere sogar ihre bis dahin gültigen Bonitätskriterien für Wertpapierpensionsgeschäfte aufgegeben. Sie betreibt heute eine Politik, die dem Artikel 125 AEUV, nach dem ein EU-Land nicht für die Schulden eines anderen haftet, widerspricht. Falls die erworbenen Staatspapiere von den Schuldnerstaaten nicht ordnungsgemäß verzinst und getilgt werden, müßte die EZB Abschreibungen vornehmen, die zu Verlusten bei ihren Anteilseignern führen. Deutschland wäre daran zu 28% beteiligt.



Die Finanzkrise der GIPS-Staaten hat ihre Ursache in Regierungsversagen. Vor Einführung des Euro lagen die Zinsen für ihre zehnjährige Staatsanleihen im gewogenen Durchschnitt um 5 Prozentpunkte über dem deutschen Zins, weil die Währungen dieser Staaten ständig an Wert einbüßten und die Käufer ihrer Staatsanleihen deshalb einen Risikoaufschlag für die Möglichkeit einer Abwertung der jeweiligen Währung verlangten. Ab 1996, als der Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU die Erwartung entstehen ließ, dass der Euro kommen und das Wechselkursrisiko verschwinden würde, glichen sich die Zinsen in der künftigen Euro-Zone an, und zwar auf dem niedrigen deutschen Niveau. Von 1999, der virtuellen Einführung des Euro, bis zum Herbst des Jahres 2008, als nach dem Konkurs von Lehman Brothers Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der GIPS-Staaten aufkamen, betrug der Zinsunterschied ihrer Staatsanleihen zu den deutschen Schuldtiteln durchschnittlich nur etwa 0,4 Prozentpunkte.

Die Einführung des Euro bewirkte für Länder wie Griechenland, Spanien und Portugal eine dramatische Zinssenkung. Diese Staaten hätten die Möglichkeit gehabt, ihre Schulden wegen der niedrigeren Zinsen und des sich daraus ergebenden Wirtschaftsbooms zurückzuzahlen. Stattdessen haben sie noch mehr Kredite aufgenommen, als sie schon hatten.

Irland, Griechenland, Spanien und in begrenztem Umfang auch Portugal wurden zu Kapitalimportländer, während Deutschland zu einem Kapitalexportland wurde. Im Zeitraum von 2002 bis 2009 hat Deutschland zwei Drittel seiner gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse als Kapital- und Geldabfluss an das Ausland verloren, und nur ein Drittel dieser Ersparnisse wurden im Inland investiert. Von den deutschen Kapital- und Geldabflüssen waren nur ein Sechstel Nettodirektinvestitionen, während fünf Sechstel auf Finanzkapitalexporte entfielen, z. B. für strukturierte US-amerikanische Wertpapiere (Asset-Backed Securities), Kredite für spanische Immobiliengesellschaften, oder griechische Staatsanleihen.

Dieser massive Kapitalimport brachte den GIPS-Staaten einen starken Wirtschaftsaufschwung. "Während Deutschlands Wirtschaft in der Zeitspanne von 1995 bis 2009 gerade mal um 16% wuchs und der Durchschnitt der alten EU-Länder bei 27% lag, wuchs Irland um 105%, Griechenland um 56% und Spanien um 50%. Portugal schaffte es mit 30% immerhin, den Durchschnitt zu übertrumpfen." Bei diesen guten Wirtschaftsdaten wäre es durchaus möglich gewesen, die Staatshaushalte in GIPS zu sanieren. Wenn nicht unter diesen Umständen, wann dann?

Bei den deutschen Finanzkapitalexporten ist auch Unternehmerversagen in den großen Banken festzustellen, die bisher ein Viertel ihres Eigenkapitals durch Abschreibungen auf uneinbringliche Asset-Backed Securities verloren haben. Der entsprechende Verlust der französischen Banken beträgt nur ein Zehntel ihres Eigenkapitals. Andererseits ist das französische Bankensystem stärker von der GIPS-Finanzkrise betroffen, denn es hielt vor den Rettungsaktionen einen um 55% größeren Bestand an Staatspapieren der GIPS-Länder als Deutschland. Die Großbanken haben sich durch ihre bedenkenlose Kreditvergabe an die Staaten vollständig von ihnen abhängig gemacht. Andererseits kann der Wohlfahrtsstaat nur aufrecht erhalten werden, wenn weiterhin privates Kapital in riesigen Mengen den Staaten zufließt, ohne dass eine Rückzahlung jemals erfolgt.

Es kommt also darauf an, bei den privaten Kapitalgebern die Illusion aufrecht zu erhalten, dass Kredite an den Staat im Grunde rentabel seien, ohne eine echte Konsolidierung der Staatsfinanzen vorzunehmen. Diese würde es erfordern, den EU-Staaten jegliche Kreditaufnahme zu verbieten und dieses Verbot in den unabänderlichen Teil der jeweiligen Verfassungen aufzunehmen. Davon ist im Gutachten nicht die Rede. Statt dessen wird im Fall der Zahlungsunfähigkeit eines Euro-Staates eine Teilenteignung der Gläubiger gefordert, die zynischerweise im gesamten Text des Gutachtens als "Haircut" bezeichnet wird.

"Die Höhe des Haircut richtet sich nach dem durchschnittlichen Marktwertabschlag der letzten drei Monate vor Beginn der Verhandlungen mit den Gläubigern. Er soll allerdings mindestens 20% betragen. Eine Mindestgrenze ist erforderlich, um die Möglichkeiten für strategische Maßnahmen zur Marktwertmanipulation seitens großer Kreditgeber zu begrenzen. Der höchstmögliche Haircut ist 50% des Nennwertes bzw. des vertraglich vereinbarten Rückzahlungsbetrags der Anleihe. Die Höchstgrenze soll sicherstellen, dass der Markt eine Kalkulationsbasis erhält und Panik vermieden wird."


Das Drehbuch einer künftigen staatlichen Zahlungsunfähigkeit sieht danach so aus, dass der Gläubiger auf seine Forderung: "I want my money back" die Antwort erhält: "You need a haircut". Wieviele Investoren wollen vom Staat einen Irokesenschnitt bekommen? Die Autoren des Gutachtens glauben, mit ihrem Frisurvorschlag den sozialstaatlichen Pelz waschen zu können, ohne ihn nass zu machen.

"Der notwendige Kompromiss zwischen den Zielen der langfristigen politischen Stabilität Europas und der kurzfristigen Stabilität der Finanzmärkte kann weder in einem Verzicht auf Rettungsmaßnahmen noch in einer Vollkaskoversicherung gegen Zahlungsunfähigkeit ohne Selbstbehalt liegen. Der Haircut von 50% und die partielle Sicherung der Ersatzanleihen in Höhe von 80% könnten einen sinnvollen Kompromiss zwischen den beiden divergierenden Zielen bieten."

Nachdem der staatliche Friseur so viel wildwucherndes Haar, das den Kopf der Investoren nur verunziert, beschnitten hat, stellt sich die Frage, wie die Banken diese Verluste ausgleichen sollen, ohne zusammenzubrechen. Für die Gutachter ist die Lösung einfach: die Kapitalisten haben genug Geld, um diese Rückschläge wegzustecken.

"Im Übrigen ist es erforderlich, ein von den Banken selbst finanziertes Rettungssystem auf nationaler Ebene zu errichten, das einer bedrängten Bank im Krisenfall mit Eigenkapitalzuschüssen gegen Aktien zu Hilfe kommt. ... Um zu erreichen, dass das Eigenkapital einer Bank tatsächlich haften kann, ohne dass die Bank geschlossen werden muss, ist es zwingend erforderlich, dass Verluste, die das Eigenkapital unter die aufsichtsrechtliche Schranke drücken, mit neuem, von außen kommendem Eigenkapital aufgefüllt werden. Ein Bankenrettungssystem, das die Banken, nicht aber deren Anteilseigner rettet, würde das Bankensystem besser gegen Staatsinsolvenzen schützen."


Investoren müssen sich dessen bewußt sein, dass der Staat kein Schuldner wie jeder andere ist, denn er kann die Regeln bestimmen, nach denen zu handeln ist. Außerdem bestimmt er die Interpretation dieser Regeln. Viele Marktbeobachter waren schockiert, als die EZB ab Mai 2010 begann, in großem Stil Staatsanleihen zu kaufen, die sonst unverkäuflich gewesen wären. Dieses Verhalten widerspricht dem Artikel 123 (1) AEUV. Die Gutachter weisen zu Recht auf ein weit verbreitetes Mißverständnis hin.

"Die Formulierung [des Artikels 123 (1) AEUV] macht klar, dass die EZB den Staaten keine direkten Kredite geben darf und auch nicht direkt aus ihrer Hand Staatspapiere erwerben darf. Sie wirkt auf den Laien wie eine Generalklausel, die den Missbrauch in Form einer Finanzierung des Staatsbudgets durch die Notenpresse ausschließt. Käufe auf dem Sekundärmarkt schließt sie hingegen nicht aus. Dass Griechenland seine Staatsanleihen auf dem Umweg über seine Banken an die Zentralbank verkauft hat, war erlaubt, weil es nicht verboten war."

Offenbar darf man nicht erwarten, dass Politiker und Spitzenbeamte sich an den Geist eines Gesetzes halten, wenn dessen Buchstaben Schlupflöcher offen lassen. Können diese jemals ganz geschlossen werden? Wieviele Politiker wissen wirklich, was die Gesetzestexte bedeuten, die sie durchwinken? Wo sind die Journalisten, die kritisch darüber berichten? Die Kapitalgeber sollten lernen, dass kein Staat die Bonität und Solvenz hat, die ihm von interessierter Seite zugeschrieben werden.

"Dreiundsiebzig Mal hat die Neuverschuldung der Länder Europas [der EU] die 3%-Grenze des Stabilitäts- und Wachstumspakts überschritten. In 27 Fällen war dies nach der Rezessionsregel, wie sie ursprünglich im Pakt vorgesehen war, erlaubt. In den meisten Fällen hätten Strafen gezahlt werden müssen. Tatsächlich aber wurde keine einzige Strafe verhängt."

Das bedeutet, dass die EU-Staaten 46 mal das selbst gegebene Recht gebrochen haben, ohne dass es dafür einen Kläger, einen Richter oder eine Strafe gab. Ein privater Schuldner mit einer derartig rechtsbrecherischen Vergangenheit würde als absolut kreditunwürdig eingestuft werden. Es gibt keinen Grund, warum mit Staaten anders verfahren werden sollte.