Dienstag, 8. November 2011

Staatliche Finanzierung der Kernenergie

Die Grünen behaupten, dass die Kernenergie nur deshalb so billig ist, weil sie vom Staat stark subventioniert worden sei. Ein Beispiel für derartige Behauptungen ist die Stellungnahme der AG Umwelt der SPD-Bundestagsfraktion: Argumente zur Atomenergie V: Kosten, März 2008, die unter Bezug auf eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung erstellt wurde, die ihrerseits vom damals SPD-geführten Bundesumweltministerium in Auftrag gegeben worden war. In diesem Papier schätzt die SPD die direkt in die Kernenergie geflossenen Steuergelder auf 45 bis 80 Milliarden Euro. Bei Greenpeace sind dies schon über 200 Milliarden Euro (real, d. h. preisberichtigt zu heutigem Geldwert), siehe: Greenpeace: Staatliche Förderungen der Atomenergie im Zeitraum 1950-2010, FÖS-Studie, Oktober 2010.

Diese Propaganda widerlegen Michael Weis, Katrin van Bevern und Thomas Linnemann in ihrem Artikel Forschungsförderung Kernenergie 1956 bis 2010: Anschubfinanzierung oder Subvention? in atw - Internationale Zeitschrift für Kernenergie, 56. Jg. (2011), Heft 8/9, S. 466-468. Darin gehen sie besonders auf die staatliche Förderung der Erforschung der Kernenergie ein, da dies der größte Posten in den staatlichen Zuwendungen für diese Energiesparte ist. Die folgende Grafik zeigt die Forschungsförderung des Staates von 1956-2010 für 7 Forschungsgebiete im Bereich der Kernenergie (Quelle: Weis u. a.):



Man sieht, dass in Deutschland die nukleare Energieforschung ihren Höhepunkt in den 1970er und 1980er Jahren hatte. Heute wird fast nur noch die Erforschung der Kernfusion finanziert, für die jährlich mehr als 120 Millionen Euro ausgegeben werden. Daneben dulden die ergrünten staatlichen Stellen noch etwas Forschung im Bereich der Reaktorsicherheit, Entsorgung und Stilllegung. Weis u. a. stellen fest: "Es darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden, dass zu Zeiten der rotgrünen Koalition zwischen 1998 und 2005 ein Quasi-Forschungsmoratorium bestand, das nur die Sicherheitsforschung ausnahm."

Die staatliche Forschungsförderung der LWR-Technologie endete bereits 1977, also kurz nach Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Brunsbüttel, anschließend wurden nur noch Arbeiten zur Reaktorsicherheit in begrenztem Rahmen gefördert. Einen ähnlichen Technologieabbruch gab es bei den Aufwendungen zum Brennstoffkreislauf, insbesondere zur Wiederaufarbeitung. Diese hatten ihren Höhepunkt Mitte der 1980er-Jahre, gingen dann aber deutlich zurück, lange vor dem technisch möglichen Baubeginn einer nationalen Wiederaufarbeitungsanlage, der aber aus politischen Gründen niemals erfolgte.

Auf die einzelnen Forschungsbereiche entfallen im Zeitraum von 1956-2010 die folgenden Beträge (Quelle: Weis u. a.):



Erläuterung der Anmerkungen: 1) nominal (nicht preisbereinigt zu heutiger Kaufkraft) für Projektförderung und institutionelle Förderung. 2) Anlagen werden zur Stromerzeugung genutzt. 3) inklusive Forschungsreaktoren und Nuklearschiff "Otto Hahn". 4) Anlagen, mit denen bisher kein Strom erzeugt wird.

Bei der Beantwortung der Frage, ob staatliche Subventionen die Kernenergie entscheidend verbilligt haben, ist zu beachten, dass nur die Leichtwasserreaktoren heute in Betrieb sind. Die Forschungsausgaben für die Entwicklung des Schnellen Brüters und des Hochtemperaturreaktors können den Stromkosten nicht zugerechnet werden, da diese viel versprechenden Technologielinien politischen Verboten zum Opfer fielen. Das gilt auch für die Kernfusion, die mit der Stromerzeugung aus Kernspaltung in der LWR-Technologie nichts zu tun hat und deren kommerzielle Nutzbarkeit ungewiss ist.

Die nächste Grafik bezieht die Forschungsförderung, die den LWR zurechenbar ist, auf deren Stromproduktion, die 1961 begann (Quelle: Weis u. a.):



Daraus ergibt sich, dass die staatliche Forschungsförderung bei dem gegenwärtigen Produktionsstand nur 0,17 Ct/kWh beträgt. Wenn die Energiewirtschaft ihre Anwendungsforschung selbst finanzieren müsste, was durchaus erstrebenswert wäre, würden sich ihre Stückkosten um diesen geringen Betrag erhöhen, der auf ihre Wettbewerbsfähigkeit überhaupt keinen Einfluss hätte.

Das Subventionsvorwurf der Grünen gegenüber der Kernenergie ist schon deshalb lächerlich, weil die von den Grünen bevorzugten erneuerbaren Energien die wahren Subventionsverschlinger sind. Weis u. a. führen dazu aus: "Die Forschungsförderung und Subventionierung der regenerativen Energien über Forschungsmittel, das Stromeinspeise-Gesetz und das Erneuerbare-Energien-Gesetz beträgt bis zum Jahr 2010 nominal rund 43 Mrd. €."

Die EEG-Einspeisevergütung bewirkt allein im Bereich der Fotovoltaik, dass für alle bis Ende 2010 installierten Solar-Anlagen Subventionen von mehr als 80 Milliarden Euro im Laufe der nächsten 20 Jahre gezahlt werden müssen (Manuel Frondel u.a.: Explodierende Kosten. Auswirkungen der Photovoltaikförderung in Deutschland. BWK 63 (2011), Nr. 3, S. 63-66). Hinzu kommen Kosten für den Netzanschluss großer Windenergie-Parks, für den allgemeinen Netzausbau, für die durch die Transportwege steigenden Leitungsverluste, für den zusätzlichen Bedarf an Back-up-Kraftwerken und Regelleistung, für die nicht kosteneffiziente Auslastung des bestehenden konventionellen Kraftwerkparks.

Weis u. a. haben dazu errechnet: "Die spezifische Förderung der regenerativen Energien betrug Ende 2010 nominal rund 7,9 Ct/kWh und real (preisbereinigt) 8,6 Ct/kWh. Dagegen ist der FuE-Teil im Kernenergie-Strompreis schon jetzt sehr gering und nimmt weiter ab. Die spezifische Förderung der regenerativen Energien beträgt also heute rund das 45-Fache derjenigen der Kernenergie."

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